Leonie Bossert, Lieske Voget-Kleschin, Simon Meisch (eds.)
280 pages ·
29.80 EUR
(incl. VAT and Free shipping)
ISBN 978-3-7316-1340-4
(11. Dezember 2019
)
Die Beiträge dieses Bandes entstanden im Rahmen einer 3-teiligen Tagungsreihe in den Jahren 2016-2018 an der Internationalen Naturschutz Akademie des Bundesamtes für Naturschutz. Sie befassen sich erstens mit konzeptionellen Grundlagen der Suffizienz, also etwa den Fragen, was unter Suffizienz verstanden wird, warum sie wichtig ist und was sie für unterschiedliche Lebensbereiche bedeuten könnte. Sie erörtern zweitens, welche Rahmenbedingungen nötig und möglich sind, um Lebensstiländerungen zu erleichtern, die nachhaltige Entwicklung fördern. Ein dritter Schwerpunkt des Bandes liegt in der räumlichen Dimension von Suffizienz (-politik): Welche Herausforderungen und Möglichkeiten birgt Suffizienzpolitik im städtischen und ländlichen Raum? Welches Transformationspotenzial hin zu nachhaltigeren Gesellschaften liegt darin, Räume neu oder anders zu denken? Die Beiträge des Bandes geben Antworten auf konzeptionelle und praktische Fragen der Suffizienz (-politik) und verstehen sich als konstruktiver Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung.
Abschliessend nochmals zu einem Sammelband, der schon in der Buchbeilage vorkam. Thema: «Suffizienzpolitik.» Das klingt nicht süffig, erinnert an die leidigen Grenzen des Wachstums. Oft sind die Inhalte für Grüne besonders unbequem, denn gerade jene «Bevölkerungssegmente, in denen positive Umwelteinstellungen weiter verbreitet sind als im Bevölkerungsmittel», so lautet die bittere Botschaft entsprechender Studien, liegen beim Ressourcenverbrauch über dem von weniger Umweltorientierten, die in der Regel mit weniger Einkommen durchs Leben gehen. Nur bei der Ernährung passen grüne Theorie und Praxis halbwegs zusammen. Fernreisen oder Wohnflächen bringen die Ökobilanz meist rasch zum Kippen.
Wie die offensichtliche Kluft zwischen Wissen und Handeln zu überwinden wäre, ist darum eine Kernfrage der aktualisierten Beiträge einer Tagungsreihe der Akademie des deutschen Bundesamtes für Naturschutz. Sie sind differenziert, in den Empfehlungen teils kontrovers. Vorab technologische Effizienz- und Konsistenz-Elemente lassen sich im inzwischen modischen Green New Deal politisch gut unterbringen. Bei der Suffizienz aber, die Laura Spengler ausdrücklich mit Gerechtigkeit, also mit Unter- wie mit Obergrenzen verknüpft, hört die nachhaltige Konsequenz in unseren Breiten bald einmal auf. «Wie viel ist genug?» Diese häufig gestellte Frage könne nicht für sich allein stehen. «Genug wovon? Genug wofür? Und für wen?» In den Umweltdebatten sei Jahrzehnte über die Frage gestritten worden, ob sich alles durch technische Fortschritte lösen lasse oder ob in den reichen Gesellschaften auch Lebensstile ändern müssen. Heute wüssten zwar fast alle, dass beides notwendig wäre, um die uns bedrängenden Probleme vom Klimawandel bis zum Verlust der Biodiversität zu reduzieren, und der Ruf nach politischem Eingreifen, einem Konzept für Suffizienz wird lauter. Andere warnen vor der Ökodiktatur, wenn soziale und ökonomische Strukturen tangiert sind. Doch die abwägende Frau, welche seit 2019 beim Umweltbundesamt in Dessau den Bereich für Nachhaltigen Konsum leitet, argumentiert hier mit einem «liberalen Schadensprinzip». Wenn durch Handlungen von Personen «ein Schaden an anderen entsteht oder wahrscheinlich entstehen kann», dürfe der Staat eingreifen. «Das gilt auch für die kumulativen Wirkungen des Konsumverhaltens einer grossen Menge von Menschen.»
Rahel Gessler und Toni W. Püntener hatten ihren Kolleginnen und Kollegen zu erklären, was «Suffizienz als handlungsleitendes Prinzip» in Politik und Verwaltung der Stadt Zürich bewirkt hat, nachdem sich 2008 immerhin 76,2 Prozent der Abstimmenden kommunal für das Ziel der 2000-Watt-Gesellschaft entschieden. Sie erwähnen in ihrem durchzogenen Zwischenfazit ein Forschungsprojekt zur Frage: «Welches Konsumniveau reicht mir?» Die dort im Durchschnitt erfasste Antwort lag deutlich unter dem gleichfalls ermittelten Niveau des aktuellen eigenen Verhaltens. Offensichtlich gäbe es da Potenziale. «Einfach besser leben» wurde als möglicher Slogan vorgeschlagen.